GELO geht mit gutem Beispiel voran
Wunsiedler Wirtschaft setzt auf Flüchtlinge
„Diese Vereinbarung sucht bundesweit ihresgleichen.“ Das betonte am Mittwochnachmittag Thomas Zimmer, Präsident der Handwerkskammer für Oberfranken. Junge Flüchtlinge, die derzeit zur Untätigkeit verdammt sind und in verschiedenen Einrichtungen im Landkreis Wunsiedel auf eine Entscheidung für ihr Asylverfahren warten, dürfen jetzt eine dreijährige Ausbildung beginnen. Das ermöglichen die IHK Oberfranken, die Agentur für Arbeit, die Handwerkskammer für Oberfranken und der Landkreis Wunsiedel. Vertreter dieser vier Beteiligten unterzeichneten gestern ein Papier, das den Ermessensspielraum der Ausländerbehörde erweitert. Sie wollen, dass die jungen Menschen nicht länger in der Luft hängen.
In erster Linie richtet sich das Ausbildungsangebot an unbegleitete Jugendliche, die allein aus Ländern, in denen Krieg herrscht, nach Deutschland geflüchtet sind und Unterschlupf im Landkreis Wunsiedel gefunden haben. Nicht nur da, denn dieses Zeichen zur Integration der Flüchtlinge ist laut Zimmer bereits in ganz Oberfranken gesetzt worden.
„Wir wollen damit Rechtssicherheit bekommen für unsere Betriebe und für die Flüchtlinge gleichermaßen“, betonte Landrat Dr. Karl Döhler bei der Unterzeichnung im Landratsamt Wunsiedel. „Wer eine Ausbildung bekommen hat, soll sie hier auch beenden können“, so Döhler. Bei erfolgreicher Ausbildung soll den jungen Asylbewerbern dann außerdem eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könnten.
80 Unternehmen haben sich nach Aussage von Christi Degen, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Oberfranken, dazu bereiterklärt, junge Asylbewerber auszubilden. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass sie bereits einigermaßen deutsch sprechen können und sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Aktuell befinden sich nach Mitteilung Döhlers 862 Flüchtlinge im Landkreis Wunsiedel, worunter 57 unbegleitete in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht seien. Angestoßen worden sei die Vereinbarung von der Wirtschaft. Thomas Zimmer betonte: „Unsere Betriebe wollen Planungssicherheit, wenn sie einen jungen Menschen ausbilden. Wir senden mit dieser Vereinbarung auch ein zweites Signale aus, nämlich, dass wir die Menschen hier willkommen heißen.“
Maximilian von Waldenfels vom IHK-Gremium Marktredwitz-Selb sagte, auch die Unternehmen betreffe das Flüchtlings-Thema in Kopf und Herz gleichermaßen. „Wir könnten dem Fachkräftemangel entgegenwirken“, der angesichts der Schülerzahlen bedenklich sei, und obendrein etwas für die Integration der Flüchtlinge tun. „Jetzt ist deutsche Flexibilität gefragt, nicht deutsche Gründlichkeit.“ Sicherlich sei dieser Weg steinig, doch nähmen sich die Unternehmen dieser gesellschaftspolitischen Herausforderung an.
Sebastian Peine, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bayreuth-Hof, ist sich sicher, dass dies eine große Chance für beide Seiten biete. 70 Prozent der Flüchtlinge seien unter 35 Jahre alt. Mit einer Ausbildung könnten die jungen Flüchtlinge die Zeit sinnvoll nutzen, während sie auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten. „Das ist auch wichtig für die jungen Leute, denn während dieser Ausbildung können sie nach unserer Vereinbarung nicht abgeschoben werden.“ Es sei die „berühmte Win-Win-Situation“ für beide Seiten und die Region ebenfalls.
Laut Christi Degen soll in einwöchigen, dann in vierwöchigen Praktika herausgefiltert werden, wer sich für welche Ausbildung eignen könnte. Fündig werde man da in den Berufsschulen, denn was dort gestemmt werde, sei schon heldenhaft. Zunächst richte sich das Ausbildungsangebot an unbegleitete Flüchtlinge, aber auch junge Asylsuchende, die mit ihren Angehörigen in den Landkreis Wunsiedel gekommen sind, sollen von der Vereinbarung profitieren können.
„Ich bin stolz, meine Unterschrift unter diese Vereinbarung setzen zu können.“ Das betonte Kreishandwerksmeister Christian Herpich. Auch dem Handwerk sei es wichtig, Planungssicherheit zu haben, „aber ebenso wollen wir die jungen Menschen in unser Land integrieren“. Diese Sicherheit gebe den Flüchtlingen auch eine große Motivation, zu lernen.
Sebastian Peine versucht den jungen Menschen aus Kriegsgebieten, unsere Region schmackhaft zu machen, weil es viele in die Ballungszentren ziehe. „Bei uns herrschen ideale Bedingungen. Zum einen gibt es viel freien und vor allem bezahlbaren Wohnraum, gute Unternehmen, die ausbilden, und weniger Arbeitslosigkeit als in den Zentren, von denen die Flüchtlinge glauben, eine neue Heimat finden zu können.“
Quelle: Text Frankenpost – Foto: Florian Miedl
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